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Interview mit Katharina Spannraft

Von Katharina Spannraft, Ansprechpartnerin Biotoppflege des LBV München


Katharina Spannraft
Katharina Spannraft

Frau Spannraft, Sie sind Leiterin des Projekts „Biotoppflege“ in der Geschäftsstelle des Landesbund für Vogelschutz (LBV) in München. Welche Ziele verfolgt Ihr Verein und an welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Der LBV München setzt sich durch Artenschutzprogramme, Umweltbildung und Naturschutzpolitik für den Erhalt der Natur in und um München ein. Wir betreuen langjährige Projekte in der Umweltbildung und im Bereich Gebäudebrüter und Siedlungsvögel. Unser größtes Projekt ist die Biotoppflege, in der wir gefährdete Lebensräume wie Heideflächen und Moorwiesen in und um München pflegen, erhalten und für deren Schutz kämpfen.

Viele schätzen das Isartal als Naturparadies vor den Toren der Stadt mit hoher Artenvielfalt. Sehen Sie aktuell Probleme für den Arten- und Biotopschutz im Isartal?

Definitiv. Durch eine intensive Freizeitnutzung werden die Hänge durch Trails zerschnitten, es entstehen verinselte Habitate, die immer kleiner werden. Manche Tiere benötigen aber eine bestimmte Reviergröße, um ihren Nahrungsbedarf zu decken, und Ruhe, um den Nachwuchs groß zu ziehen. Die nötige Reviergröße und die Ruhe fehlen immer öfter im oberen Isartal – die Tiere sind gestresst und unter Druck. Auch die Flora ist betroffen: Standorte geschützter Pflanzen werden zerstört. Durch den offenen Boden nimmt die Erosion zu, dadurch gehen zusätzliche Wuchsorte verloren. Zudem ist das Isartal eine wichtige Nord-Süd-Vernetzungsachse für Flora und Fauna. Doch sie ist immer weniger passierbar. Noch dazu gibt es keine Ausweichroute: Im Norden steht die große Stadt, im Süden die Alpen, nach Ost und West liegen Forste und landwirtschaftlich genutzte Flächen. Es gibt keine Alternative.

Häufig wird argumentiert, die flächigen Störungen durch die Freizeitnutzung würden insbesondere bodenbrütende Vogelarten stören. Gibt es Arten, deren Bestände aufgrund dieser Störungen bereits zurückgehen oder gar verschwunden sind?

Die Waldschnepfe, die sich gern in Bodennähe aufhält, kommt zur Überwinterung immer seltener ins Isartal und wurde in den letzten Jahren gar nicht mehr beobachtet. Es gibt Hinweise, dass der Bestand der Gartengrasmücke zurückgeht. Sie brütet bodennah im Gebüsch. Zudem bemerken wir einen Rückgang des Waldlaubsängers. Aber auch Arten, die hoch oben in Baumhöhlen brüten, werden seltener. So zum Beispiel die Hohltaube. Wir vermuten, dass das Isartal zu stressig für sie geworden ist.

Die Münchner Naturschutzverbände kritisieren insbesondere die Belastung des Naturraums durch das Mountainbiking im Isartal, während Erholungsformen wie Joggen oder Spazierengehen weniger problematisch gesehen werden. Stört ein Spaziergänger mit freilaufendem Hund einen bodenbrütenden Vogel weniger, als eine Radfahrerin oder ein Radfahrer?

Ein freilaufender Hund scheucht bodenbrütende Vögel ebenso auf wie ein Radfahrer. Er kann für die Bodenbrüter und deren Brut sogar den Tod bedeuten. Es kommt beim Mountainbiken ganz klar auf die Dosis an. Wenn ab und an ein Radler vorbeikommt, dann ist das für viele Tiere tolerabel. Wenn es allerdings zu intensiver Freizeitnutzung mit hoher Frequentierung der Trails und immer weiterer Zerschneidung des Geländes kommt, dann ist das ein lebensbedrohlicher Stress. Hier leiden nicht nur Bodenbrüter, sondern auch Vögel, die am Boden Nahrung suchen, oder Reptilien, die sich gern auf den Wegen sonnen. Das passiert zurzeit im oberen Isartal – ein Ende ist nicht in Sicht.

Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um die Ihrer Meinung nach bestehenden ökologischen Probleme im Isartal minimieren zu können?

Um die Habitate wiederherzustellen, müssen die wilden Trails gesperrt und Einbauten in den Hängen rückgebaut werden. Nur so finden die Arten genug Lebens- und Rückzugsräume. Kontrollen der Wegeverbote können hier helfen. Damit es danach nicht zu einer Verlagerung der Trails in bislang noch unberührte Areale kommt, könnte über einen offiziellen Trail nachgedacht werden. Dieser darf wenn, dann nur in wenig sensiblen Bereichen liegen. Ob es diese gibt, muss zuvor genau geprüft werden. Sollte sich eine Lösung finden, muss der Trail offiziell gewidmet sein und unterhalten werden. Eine weitere Duldung wilder Trails ist für mich inakzeptabel. Der Naturschutz sollte Vorrang haben.

Wie könnte man Ihrer Meinung nach Mountainbikerinnen und Mountainbiker so für die Besonderheiten des Gebiets sensibilisieren, dass sie ihre Fahrten auf den Isartrails vielleicht sogar freiwillig einschränken würden?

Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass bei weiterer unveränderter Nutzung der Trails dem kurzfristigen Freizeitvergnügen eine über Jahrtausende gewachsene Artenvielfalt geopfert wird. Diese Unverhältnismäßigkeit muss im Bewusstsein der Freizeitnutzer ankommen. Dies kann z.B. bei Führungen und durch Informationsmaterial vermittelt werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass man auf den Isartrails seinen Alltagsstress los wird und Entspannung findet. Doch man darf nicht vergessen, dass durch die intensive Freizeitnutzung der Hänge ein lebensbedrohlicher Stress für die heimischen Tiere und Pflanzen entstehen kann. Wir haben die Wahl, unseren Stress woanders abzubauen – die Bewohner des Isartals können nicht wählen.

Und noch eine Frage zum Abschluss: Was liegt Ihnen persönlich am Isartal besonders am Herzen?

Die Fülle an Leben und die Wildnis, die sich hier direkt vor den Toren der Millionenstadt im grünen Hang versteckt.


Hinweis:
Die hier veröffentlichten Beiträge sind Meinungsäußerungen und geben nicht in jedem Fall die Meinung sämtlicher Projektbeteiligter wieder.